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Versammlungsverbot für Jugendliche

Montag, 23. Juni 2008 3.960 mal angesehen 4 Kommentare

Gemeinde DänikonNovelle aus dem Zürcher Hinterland

Die Gemeindeversammlung der Gemeinde Dänikon, welche von der SVP und einer politischen Interessensgemeinschaft mit dem Namen PI-8114 dominiert wird, hat am 18. Juni 2008 mit 22:8 Stimmen die Totalrevision der Polizeiverordnung der Politischen Gemeinde angenommen. Die Stimmbeteiligung war im Verhältnis zu den rund 1800 Einwohnern (Volkszählung) der Gemeinde Dänikon gering.

In der Angenommenen revidierten Polizeiverordnung steht unter Artikel 27:

„Schulpflichtigen Jugendlichen ist es untersagt sich nach 22.00 Uhr ohne Begleitung der Inhaber der elterlichen Sorge in Ansammlungen auf öffentlichen Strassen oder Plätzen aufzuhalten.“

Die Gemeinde will so offenbar auf Wandalenakte und Lärmbelästigungen randalierender Jugendlicher reagieren. Doch ist diese Verordnung wirklich vernünftig? Ist es nicht bedenklich, wenn nicht einmal mehr kleine Dorfgemeinschaften ohne unzählige Verordnungen und Paragraphen auskommen können?

Hätte man das Problem mit den jugendlichen Randalierern nicht auch anderst lösen können? (Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, dass Human Right Watch noch nicht reagiert hat.)

Statt alle Schulpflichtigen Kinder der Gemeinde für die Verfehlungen einiger weniger kollektiv zu bestrafen indem man einen zusätzlichen Artikeln in die Verordnung aufnimmt, hätte man jene bestrafen können, die für die Wandalenakte verantwortlich waren  bzw. deren Eltern zur Rechenschaft ziehen können. In einer 1800-Seelen Gemeinde weiss man doch um wen es sich bei den Übeltätern handelt. Aber stattdessen hat man sich zu dieser Verordnung durchgerungen, die einen grossen Einschnitt in die Freiheitsrechte schulpflichtiger Kinder darstellt. Meiner Ansicht nach ein Zeichen der Hilflosigkeit.

Es ist interessant, wie sich die Realität vom Image, welches sich die Gemeinde selber geben will unterscheidet. Im Portrait der Gemeinde Dänikon äussert sich Gemeindepräsident Daniel Zumbach wie folgt:

„Unsere Gemeinde, an hervorragender Lage und einer aufgeschlossenen jungen Bevölkerung, kann Ihnen vieles bieten.“

Und wirklich, wenn man sich die Polizeiverordnung dieser Gemeinde anschaut, kann Dänikon seiner jungen Bevölkerung tatsächlich vieles bieten bzw. verbieten. 😉

Doch was ausser dem Versammlungsverbot hat die Gemeinde der jungen Bevölkerung tatsächlich zu bieten?  Gibt es einen Jugendkeller oder einen Raum mit dicken Mauern, indem sich die Jugendlichen austoben können ohne andere Leute mit ihrem Lärm zu belästigen?

Übrigens, wie die Gemeinde, die Polizeiverordnung ohne eigenen Dorfpolizisten durchsetzen will ist noch offen.

4 Kommentare »

  • Andreas Kyriacou schrieb:

    Huch, was ist denn hier los? Hat morgarten.info einen neuen Herausgeber oder wechselt Alexander Müller zur netten SVP?

    Ich schaue regelmässig hier vorbei, um mich zu unterhalten. Und nun dies: Ein differenzierter, kritischer Beitrag über ein SVP-Dörfli und deren Law-and-order-Wahn. Die Welt wird immer komplizierter 😉

  • Alexander Müller (Autor) schrieb:

    Morgarten.info steht für eine „liberale“ und eigenständige Schweiz, mit nett hat das nichts zu tun. Bei der SVP fühle ich mich nach wie vor wohl. Ich denke lediglich, dass manche Gemeindebehörden einfach da und dort etwas über das Ziel hinausschiessen indem sie ihren Bürgern zu viele Vorschriften machen und zuviele Verkehrshindernisse und Tempo 30 Zonen auf dem Gemeindegebiet errichten. 🙂

  • Michael Jäger schrieb:

    Mein lieber Alex, das ist doch keine SVP-Idee: wir haben längst eine kantonsweite Diskussion über das Thema Jugend-nach-zehn-polizeilich-ins Bett“. Besser wird der Vorschlag dadurch aber nicht.

  • Alexander Müller (Autor) schrieb:

    Michael, wo habe ich geschrieben, dass es eine SVP-Idee ist? In der Gemeinde Dänikon dominieren einfach 2 politische Kräfte, die eine ist die SVP und die andere die PI-8114. (PI steht für politische Interessensgemeinschaft). Gebe dir allerdings recht, es handelt sich hier nicht um ein SVP-Problem. Es gibt viele Bürgerliche, die solch einen Schwachsinn begrüssen.

    Ich bin jemand, der möglichst viel Freiheit und möglichst wenig staatliche Eingriffe will. Wenn Eltern nicht wollen, dass ihre unter 16 jährigen Kinder nach 22.00 Uhr nicht mehr draussen mit Kameraden herumhängen, dann ist das ihre Sache. Was aber aus meiner Sicht einfach zuweit geht ist, wenn die Gemeinde in ihren Polizeiverordnungen sowas vorschreibt.

    Die Behörden haben andere Möglichkeiten um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dazu braucht es keine neuen Gesetzesartikel. Sie sollen erst einmal die vorhandenen Gesetze voll ausschöpfen. Renitente Jugendliche gehören verwarnt. Wenn das nichts nützt, spricht man mit den Eltern. Wenn das nichts nützt, büsst man die Jugendlichen (Jugendrichter) oder die Eltern (Busse). Und wenn es weiter nichts nützt, kommt der fürsorgerische Freiheitsentzug für den betroffenen Delinquenten in Frage. (Kinderheim oder Erziehungsheim).