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Erweiterte Personenfreizügigkeit: SVP-Entscheid ist falsch!

Mittwoch, 9. Juli 2008 6.042 mal angesehen 7 Kommentare

Gilt nicht nur für Schengen!!!Der Entscheid der SVP-Parteileitung und der Delegierten der SVP Schweiz auf ein Referendum gegen die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien zu verzichten ist ein entscheidender Fehler.

Auf der SVP-Webseite wird zu Recht die Paketlösung zu den Personenfreizügigkeitsvorlagen kritisiert. Die Verknüpfung der Verlängerung der Personenfreizügigkeit mit der Erweiterung macht eine Abstimmung zu den einzelnen Vorlagen zur Farce. Wer gegen das eine ist, läuft so nämlich automatisch Gefahr das Kind mit dem Bade auszuschütten. Dies dürfte ganz im Sinne der Parlamentarier sein, denn so kommt das Volk bei einer allfälligen Abstimmung kaum darum herum so abzustimmen wie es die Parlamentarier für richtig halten. (Denn wer gegen die Erweiterung ist, der muss nicht zwangsläufig gegen die Verlängerung der bestehenden Personenfreizügigkeit sein) Das Parlament hat damit seine antidemokratische Gesinnung offenbart, keine Frage. Aus diesem Grund jedoch auf ein Referendum zu verzichten leuchtet überhaupt nicht ein, denn so findet keine wirkliche Auseinandersetzung mit der Problematik statt.

Der Verzicht auf das Referendum ist eine Huldigung der Wirtschaftsbosse und der Landwirte (nicht nur an jene der SVP!!!). Die Angestellten kommen dabei aber zu kurz. Die Industriebosse und die Landwirte sind für die erweiterte Personenfreizügigkeit, weil dies ihre Beschaffungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Die Industriebosse können so günstige hochqualifizierte Kräfte ins Land holen und die Landwirte billige Arbeitskräfte.

Was haben wir Arbeitnehmer von der erweiterten Personenfreizügigkeit? Sicherlich wird ein Teil des Zustroms durch die demographische Entwicklung abgefangen, dennoch ist ernsthaft zu befürchten, dass der Druck auf den Schweizer Arbeitsmarkt aufgrund der Globalisierung weiter zunehmen wird.

Stellensuchende werden sich neu mit Billigkonkurrenz aus Deutschland und anderen EU-Staaten herumschlagen müssen. Der Zustrom neuer Arbeitskräfte auf den Schweizer Arbeitsmarkt wird den Druck auf die Löhne erhöhen und die Sockelarbeitslosigkeit anheben. Aus Sicht der Arbeitnehmer ein Schreckenszenario. Auch der Staat wird zu den Verlierern gehören! Denn eine höhere Sockelarbeitslosigkeit wird zu höheren Sozialkosten führen. Um die steigenden Kosten für das Sozialwesen in Grenzen zu halten, werden weitere Sparmassnahmen bzw. Kürzungen der Sozialleistungen notwendig sein, da bei sinkenden Löhnen auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge für die Sozialleistungen abnehmen werden. Eine Erhöhung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge für Sozialleistungen wäre auf keinen Fall sinnvoll! Damit würde man die Konkurrenzfähigkeit des Werkplatzes Schweiz gefährden.

Da ein grosser Teil der SVP-Wähler Angestellte sind, wäre es die Pflicht der SVP, ein Referendum gegen die Erweiterung der Personenfreizügigkeit zu ergreifen. Dadurch, dass nun die einzige Partei, welche bisher noch ernsthaft die Interessen des Mittelstandes vertreten hat nun ebenfalls umgefallen ist, ist die Abstimmung über das Vorlagenpaket überflüssig geworden. Die anderen Parteien inklusive Sozis sind ja auch für die erweiterte Personenfreizügigkeit (bzw. werden auch kein Referendum dagegen ergreifen). Die Vorlagen werden nun einfach praktisch diskussionslos durchgewunken. Die Demokratie unseres Landes hat damit eine weitere Niederlage erlitten.

Absolut unverständlich ist, dass offenbar nicht einmal die linken Gewerkschaften die heranziehende Gefahr zu erkennen vermögen. Oder erkennen sie diese Gefahr etwa doch und sehen bei zunehmenden sozialen Spannungen, eine Chance um wieder mehr Einfluss und Macht zu gewinnen? (weil z.B. wieder mehr Unzufriedene den Gewerkschaften beitreten bzw. der Bedarf an teuren Dumping-Kontrolleuren ansteigen wird?)

Anmerkung zu den abgebildeten Schengen-Nein-Plakaten: Ich bin der Ansicht, dass die dort visualisierte Bedrohung auch bei der Personenfreizügigkeit gilt. Aus diesem Grund habe ich diese Bilder ausgewählt.

7 Kommentare »

  • Tom schrieb:

    Naja, es passt einfach ins Bild das ich mittlerweile von der SVP habe… Die eine Hand weiss nicht mehr was die andere tut. Und dies wird das Verderben für die SVP werden… gruss, tom

  • Alexander Müller (Autor) schrieb:

    Das stimmt natürlich nicht Tom. Die andere Hand weiss sehr wohl was die andere tut. Die SVP-Parteispitze hat einfach die Flinte ins Korn geworfen weil sie eingesehen hat, dass man gegen das Paket keine Abstimmung gewinnen kann.

    Beim Paket lässt man das Volk nämlich über die Verlängerung der Personenfreizügigkeit bei den bestehenden EU-Staaten und die Erweiterung auf Bulgarien und Rumänien auf einmal abstimmen. Wenn man nun gegen die Erweiterung stimmt, stimmt man automatisch auch gegen die Verlängerung der bestehenden Personenfreizügigkeit und das geht natürlich nicht. Somit ist jeglicher demokratische Widerstand von vorne herein zum Scheitern veruteilt. Dies haben wir demselben linken Parlament zu verdanken, welches am 12.12.2007 Blocher abgewählt hat!

    Die SVP ist zu Recht sauer darüber. Ich halte allerdings wie bereits geschrieben den Entscheid kein Referendum dagegen zu ergreifen für falsch. Denn wenn die einzige Partei, welche noch die Interessen unseres Landes vertritt aus Angst vor einer Abstimmungsniederlage einfach die Flinte ins Korn wirft, wird das ganze einfach diskussionslos durchgewunken, man muss gar nicht abstimmen gehen. Was daran noch demokratisch sein soll ist mir schleierhaft. Das Volk wurde einmal mehr von den Linken verarscht.

  • Michael Jäger schrieb:

    Wer, mein lieber Alex, war denn damals vehement gegen die Personenfreizügigkeit? Genau die gleichen Argumente, die damals gegen die Personenfreizügigkeit mit den „alten“ EU-Staaten ins Feld geführt wurden, kommen jetzt erneut gegen die Erweiterung. Nur ist es jetzt aus unerfindlichen Gründen plötzlich Ok, die bisherigen beizubehalten. Das ist dermassen absurd, dass ich am Verstand der gesamten Politlandschaft rechts des Freisinns Zweifel habe. Bin gespannt auf eine Erklärung, warum die Beibehaltung plötzlich richtig sein soll.

  • Alexander Müller (Autor) schrieb:

    Michael, ich gehe davon aus, dass die Beibehaltung der aktuellen Personenfreizügigkeit nicht mehr wahnsinnig viel mehr neue Migranten bringt als es bereits der Fall ist. Wenn nun aber durch eine Erweiterung neue und vorallem ärmere Staaten hinzukommen, könnte sich dies ändern, da dann eben auch aus jenen Staaten wiederum Migranten zu uns kommen werden.

  • Thommen schrieb:

    Es ist interessant, dass immer nur die einseitige Migration problematisiert wird. Dass auch Schweizer ins Ausland gehen und Profite machen, oder arbeiten können, scheint keinen zu interessieren…
    Grundsätzlich verspricht die Wirtschaft, ohne staatliche Hilfen die Bedürfnisse der Konsumenten befriedigen zu können. Aber die Risiken will sie nicht finanzieren. Das darf dann der Staat. Sozialkosten sind nicht ihr Ding. Aber der Staat sind wir alle, der ist keine Dritte Grösse, wie meistens insinuiert.
    Witzig, dass alles, was nicht ins Konzept der SVP passt, neuerdings „nicht demokratisch“ sein soll. Aber die Wirtschaft ist ja auch nicht demokratisch organisiert. Finanzielle Sicherheit kann die Wirtschaft längst nicht mehr bieten, aber über den Staat ist sie für Arbeitnehmer auch nicht kostenlos zu bekommen.
    Wer war gegen die begleitenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit? Diejenigen, die wirklich immer die billigsten Arbeitskräfte suchen! 😛

    Leider hat sich die SVP als dümmer herausgestellt als die Bürger, die sie selber für dumm eingeschätzt hat.

  • Alexander Müller (Autor) schrieb:

    Thommen, wieviele Schweizer übefluten die Welt? Zur Info, in der ganzen Schweiz leben ca. gerademal soviele Leute wie New York Einwohner hat. (ca. 22% davon Ausländer) 😉

    In einem Punkt gebe ich dir Recht, die Wirtschaft ist auch nicht demokratisch organisiert, das stimmt. Allerdings, profitiert sie da und dort vom Staat, welcher ihr die Infrastruktur, gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stabilität und Sicherheit bietet. Das sollte man einfach nicht vergessen. (Kein Votum für Staatsinterventionismus!)

  • Beobachter schrieb:

    Zum Glück gibt es noch die Junge SVP. Welche noch standhaft blieb. Die JSVP Luzern hat einen tollen Kleber mit einem Sujet rausgebracht, welche die Befürworterkampagne parodiert. http://www.jsvp-luzern.ch/index.php?id=36

    Geil gemacht!